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Psychische Resilienz in Zeiten der Coronakrise – wie stärke ich meine eigene Widerstandskraft? | AREION - Kompetenzzentrum in Medizin und Ästhetik für Ulm/Neu-Ulm Skip to content
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Interview mit Frau Dr. med Sarie Ann Haisch, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Areion KompetenzzentrumIn den letzten Wochen durchleben die meisten Menschen durch die aktuelle Situation und die hiermit einhergehenden Massnahmen eine deutliche Zunahme von Angst und auch Depressivität, wie sehen Sie hier die Ursachen?
Die aktuelle gesundheitspolitische Krise geht für jeden Einzelnen zum einen mit großen persönlichen Ängsten sowie aber auch drastischen Einschränkungen der individuellen Freiheit einher. Natürlich macht sich jeder in diesen Zeiten um sich und seine Angehörigen Sorgen und hofft, dass alle unbeschadet über die Krise hinweg kommen. Oft jedoch noch gravierender für die Psyche ist das Gefühl, keine eigene Kontrolle mehr über die Situation zu haben, also „ausgeliefert“ zu sein, nicht zu wissen was als nächstes passiert. Es entsteht also ein Gefühl des Kontrollverlusts, eine Hilflosigkeit, und aus dieser erwächst typischerweise Angst, Depressivität oder sogar Panik. Diese wird zudem durch die teilweise sehr angsterregende Berichterstattung insbesondere in den sozialen Medien noch verstärkt. Natürlich sind die Einschränkungen im alltäglichen Leben ebenso belastend, die stützenden Sozialkontakte fallen weg, Hobbies und sportliche Aktivitäten können nicht mehr ausgeführt werden, die an sich zum Stressabbau wichtig wären. Zudem fällt die Tagesstruktur durch die Berufstätigkeit häufig weg. All dies kann den individuellen „Stresspegel“ deutlich erhöhen, als Folge sind neben den körperlichen und seelischen Symptomen z.B. auch innerfamiliäre Konflikte und eine hieraus resultierende Unzufriedenheit vorprogrammiert.
Somit sind natürlich Menschen mit psychischer Vorbelastung im Bereich der Angst oder Depression aktuell besonders gefährdet, jedoch bemerken auch ansonsten sehr „stabile“ Personen in diesen Zeiten eine deutliche Belastung.Was kann ich tun, um meine psychische Widerstandskraft in diesen Zeiten zu stärken?Von sehr großer Relevanz ist es, ein gewisses Kontrollgefühl entstehen zu lassen und die Selbstwirksamkeit zu stärken. Das heisst zum einen, dass die „Informationsflut“ eingeschränkt werden sollte, also z.B. nur morgens und abends einmal durch vertrauensvolle und seriöse Quellen (z.B. RKI, WHO) der neueste Stand abgefragt werden sollte, aber in den Zwischenzeiten dann auch insbesondere die sozialen Netzwerke „ruhen“ sollten. Des weiteren ist es sehr wichtig, den eigenen Fokus mehr auf die trotz der schwierigen Zeiten kontrollierbaren Bereiche zu wenden, z.B. „wie kann ich heute mit meiner Familie den Tag gestalten“, „Wie kann ich die Zeit für mich sinnvoll nutzen“. Es sollte wieder das Gefühl der „Selbstwirksamkeit“ entstehen, also das Gefühl selbst gestalten zu können und nicht nur hilflos abwarten zu müssen („Aktives Coping“). Hierzu zählt ganz konkret auch, sich auf den verschiedenen Ebenen des „Bio-psycho-sozialen“ Ressourcen Modells zu stärken. Also „was kann ich meinem Körper jetzt Gutes tun“ (Biologische Ebene), z.b. das Achten auf gesunde Ernährung, Bewegung soweit möglich, Entspannung etc. Des weiteren sollte die „Soziale“ Ebene betrachtet werden „Wie kann ich meine sozialen Kontakte in dieser Zeit pflegen“, wie kann ich die Zeit mit der Familie nutzen, welches Gespräch wollte ich schon lange mit einem Freund oder Partner führen, was kann ich mit meiner Familie für die Zeit „nach der Krise“ planen? Und zu guter Letzt ist es natürlich sehr wichtig, die psychische Ebene zu stärken, dies auch durch konkrete Massnahmen „was tut mir psychisch gut“, welches Buch wollte ich schon immer lesen, welche Musik tut mir gut, welche Menschen können mir in dieser Situation helfen? Auch hier ist es wichtig, eine gewisse „innere Sinnhaftigkeit“ der Situation zu entwickeln, z.B. durch die neue Priorisierung auf die Familie, die Stärkung des Zusammenhaltes oder aber durch Hilfsangebote an die Nachbarn. Und der Fokus sollte hier unbedingt auf den positiv erlebten Dingen liegen, dass heisst konkret auch, dass man sich vorübergehend von Dingen oder Menschen fernhalten sollte, die die Angst noch verstärken. Wir dürfen nämlich bei allem nicht vergessen, dass Angst die damit verbundene Stressreaktion im Körper das Immunsystem weiter schwächt, was in diesen Zeiten sicher am wenigsten sinnvoll ist.
Beschäftigen Sie sich mit zukünftigen Perspektiven, Planungen und Zielen, die ihnen helfen, die aktuelle „Durststrecke“ psychisch zu überwinden. Und welche Möglichkeiten gibt es, wenn ich alleine hier nicht weiter komme?
Wichtig ist, die entstehenden Ängste und Sorgen zu teilen, also nicht mit sich selbst auszumachen, da sie dann nur immer noch grösser werden. Also sprechen Sie mit Menschen die Ihnen diesbezüglich gut tun anstelle sich zu „vergraben“ mit ihren Emotionen. Auch das schriftliche Festhalten der aktuellen Gefühle bringt oft bereits eine gewisse wohltuende Distanz. Und natürlich kann das zur Rate ziehen einer therapeutischen Fachperson hilfreich sein, um die Angstspirale nicht zu stark ansteigen zu lassen und mögliche körperliche und seelische Folgen zu riskieren.

Interview mit Frau Dr. med Sarie Ann Haisch, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Areion KompetenzzentrumIn den letzten Wochen durchleben die meisten Menschen durch die aktuelle Situ...

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